Buchbinderei Köster
Buchbinderei Köster
Mär
2013

Die Kleisterbatik-Papiere von Emil Kretz

Marianne Moll

Emil Kretz, der Buchbindemeister und Fachlehrer, hat viele Buntpapiertechniken meisterhaft beherrscht. Die Rollenbatik-Papiere, denen dieses Buch gewidmet ist, haben in seinem Schaffen eine besondere Rolle gespielt. Er hat die Technik in der vermutlich aktivsten Zeit seines Lebens entwickelt und damit großartige Papiere gestaltet. Damals wie heute faszinierten und faszinieren sie durch ihren Charme und die Präzision, in der sie hergestellt wurden und auch dadurch, daß die Herstellungsweise nicht sofort für jedermann durchschaubar ist. Gleich wie die Marmorpapiere strahlen sie etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles aus und bezaubern den Betrachter.

„Kretz-Papiere“ wurden damals in der Schweiz jene wunderschönen Buntpapiere genannt, die Emil Kretz ab 1940 während etwa zwanzig Jahren herstellte und mit denen er nicht nur in Fachkreisen Aufsehen und Bewunderung erregte. Er hat sie nicht wie allgemein üblich mit Kämmen oder Stempeln gemustert, sondern – und das war das Aufsehenerregende und auch Geheimnisvolle daran – mit einer geschnitzten Holzrolle.

 

Der Name Kretz-Papiere ist ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung, die den Papieren und ihrem Gestalter zugemessen wurde.

Die Papiere bekamen im Lauf der Zeit viele Namen, außer Kretz-Papier auch Kleisterbatik-Papier, Batikpapier, Reservepapier, Rollenbatik-Papier, Modeldruck-Papier, Roba-Bütten, Batik-Modeldruck, Abdecktechnik und möglicherweise noch weitere.

Als Oberbegriff erscheint mir „Kleisterbatik-Papier“ am treffendsten. Er steht für sämtliche Reserveverfahren, bei denen Kleister als Abdeckmittel verwendet wird, und zwar unabhängig vom jeweiligen Musterungsmittel wie Kämmen, Stempeln, Fingern, Pinseln u.a. bis hin zu den Kretz’schen Rollen.

 

Da die geschnitzten Rollen unter den Musterungsmitteln einen besonderen und außerordentlichen Platz einnehmen, gebührt den mit ihnen gefertigten Papieren ein spezieller Name. Der Begriff „Rollenbatik-Papier“wird der Sonderstellung am ehesten gerecht.

 

Man muß in der Laufbahn von Emil Kretz weit zurückgreifen, um den Anfang des Fadens fassen zu können, der durch die ganze Entwicklung bis zu den formvollendeten, mit der Rolle hergestellten Papieren führt. Anfänglich hat er mit Kämmen und Stempeln gearbeitet, wie sie auch für die traditionellen Kleisterpapiere verwendet wurden. Im Vergleich wird aber sichtbar, daß die beiden Techniken nur eine sehr entfernte Verwandtschaft oder Ähnlichkeit aufweisen.

 

 

Die Idee, anstelle der üblichen Hilfsmittel für die Musterung Rollen zu verwenden, tauchte vermutlich um 1940 auf. Mit den geschnitzten Rollen ließen sich die Papiere rationeller, präziser und auch gleichmäßiger bemustern als mit Stempeln oder Kämmen. Emil Kretz schnitzte seine Muster in Rohlinge aus Birnbaumholz, die eine Rapportbreite von 3 cm und einen Durchmesser von 6 cm hatten. Über das Papier geführt wurden die geschnitzten Rollen mit Hilfe eines etwa 20 cm langen Handgriffs, gleich wie bei den Handwalzen aus Gummi, die in der Druckbranche verwendet wurden. Auf diese Art konnte der gleichmäßige Druck gut gehalten und eine große Regelmäßigkeit des Musters erreicht werden.

 


Emil Kretz produzierte seine Rollenbatik-Papiere mit zäher Ausdauer, im Alleingang und mit enormem Einsatz und erreichte in seinem Verfahren eine unerhörte Präzision. Die Papiere waren so gleichmäßig und exakt gearbeitet, daß anfänglich auch Fachleute keine Handarbeit vermuteten und glaubten, es handle sich um Drucke.

Der Perfektionist Emil Kretz verwendete ausschließlich qualitativ gute Büttenpapiere und es wurden nur absolut einwandfreie Bogen verkauft. Kein Wunder, daß die bald sehr begehrten Rollenbatik-Papiere ihren Preis hatten.

 

 

Am auffälligsten traten die Rollenbatik-Papiere an der Reihe der VOB-Bändchen in Erscheinung – zum ersten Mal 1941 (siehe Kapitel 3). Sie wurden aber auch in Handbuchbindereien rege und gerne benutzt für schöne Handeinbände. Die neue Technik und der Stil trafen den Zeitgeschmack sehr gut und die Rollenbatik-Papiere hatten bald großen Erfolg.

 

Während der 20 Jahre, in denen Emil Kretz seine Rollenbatik-Papiere produzierte, sind rund 180 verschiedene Rollen entstanden. Um 1960 verkaufte er diesen ganzen Schatz der jungen Buchbinderin Verena Scherrer, einer ehemaligen Schülerin. Zusammen mit einer Kollegin führte sie die Tradition der Rollenbatik-Papiere für die VOB-Bändchen noch fünf Jahre lang weiter. Sie benutzten aber außer den Kretz’schen auch eigene, neu geschnitzte Rollen, deren Motive sich deutlich von denen der Kretz’schen Rollen unterscheiden. Alle Rollen befinden sich jetzt in der Basler Papiermühle, Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck.

 

 

Der Herstellungsaufwand ist enorm und nur mit einer riesigen Portion Leidenschaft und Engagement durchführbar. Zusammengefaßt sieht der Vorgang so aus:

Der erste Arbeitsgang besteht im sorgfältigen und sehr gleichmäßigen Bestreichen des Bogens mit Weizenkleister. Durch diese Kleisterschicht führte Kretz jetzt seine Rolle, setzte eine Bahn sorgfältig neben die andere, bis der Bogen vollständig bemustert war. Danach wurden die Blätter zum Trocknen gelegt.

Erst jetzt erfolgte das Einfärben der Bogen mit verdünnter Künstlerölfarbe. Nach neuerlichem Trocknen wurde der Kleister mit Wasser und Schwamm wieder weggewaschen. Die Ölfarbe ist wasserunlöslich und verbleibt beim Auswaschen auf den Stellen des Papiers, die nicht mit Kleister abgedeckt waren, so daß das Muster klar in Erscheinung tritt.

Der Bogen war jetzt fertig und mußte nur noch endgültig trocknen.

 

 

Die mit der Rolle gefertigten Papiere waren die ureigene Domäne von Emil Kretz. Er gewährte niemandem Einblick in seine Arbeit.

Hingegen hat er die Technik ohne Rollen in Abendkursen weitergegeben.

 

 

Nach 1960, in der Zeit einer sich abzeichnenden Hochkonjunktur, konnte der luxuriöse Aufwand, den die Kleisterbatik-Technik (selbst ohne Rolle) erfordert, kaum mehr betrieben werden. Dazu kommt, daß für gutes Gelingen hier noch mehr als bei anderen Buntpapiersorten eine nicht zu unterschätzende handwerkliche Fertigkeit und Routine Bedingung sind. Es liegt auf der Hand, daß der sich verändernde Zeitgeschmack und die wechselnden Moden ebenfalls dazu beitrugen, daß das Interesse an den schönen Papieren nachließ.

 

Auf so große Auflagen von Rollenbatik-Papieren, wie Emil Kretz sie damals produzierte, würde man sich heute kaum mehr einlassen. Auch zur hohen Zeit der Kretz-Papiere hätten schon künstlerisch-handwerkliche und der Technik angemessene Vervielfältigungs-Verfahren zur Verfügung gestanden.

 

Man könnte darüber spekulieren, weshalb er auf diese Möglichkeit verzichtet hat.

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